Das Kuchenstück

Die meist vor dem Verzehr geschnittenen Kuchenstücke sind eine bewährte, sehr praktische Digitalisierung von Kuchen und Torten. Anstatt sie nach Gewicht, nach Quadratzentimetern oder etwa löffelweise anzubieten oder zu verkaufen, gibt es eben möglichst gleich große und gleichwertige Kuchenstücke, die eigentlich jeder Mensch gut als Einheit akzeptieren kann. Manche essen sogar mehrere.

In den letzten Jahren hat sich eingeschlichen, dass der potentielle Konsument die Kuchenstücke im Privatbereich nicht mehr in der vorgefertigten Form akzeptiert. Er fordert meist halbe Stücke oder seltener besonders große Stücke und wird nicht verlegen, das auch noch zu begründen. Bäckereien folgen diesem Trend mit gutem Grund bisher nicht. Für mich ist die Infragestellung der Vorfarmatierung von Kuchenstücken eine Selbstbestimmung am falschen Objekt von Menschen, die  irgend etwas besser zu wissen glauben, anstatt sich einfach mal auf Vorgaben einzulassen. Wer nicht weiß, ob er ein zweites Stück vom Kuchen will, muss sich einfach nur entscheiden. Er wird danach weder verhungern noch zerplatzen.

Die Kuchentafeln mit zweigeteilten oder noch anders geteilten Kuchenstücken sind mir ein Graus. Ich verlasse auch gern den Raum, wenn der Gastgeber im voreilenden Gehorsam bereits alles verbröselt und vermatscht hat, um eine Vielfalt der verkleinerten und verkrüppelten Stücke zu zelebrieren.

ziemlich heidnisches Kuchenstück

Heute war ich bei einem Beerdigungskaffee, der eigentlich Raue heißt. Es gab Brötchen, Wurst und Käse und gleichgroße Stücke Blechkuchen mit unterschiedlichem Belag auf Tellern angerichtet. Es war für alle genug da. Und dann meinte jemand, er müsse alle Kuchenstücke in der Mitte durchschneiden, damit nicht die eine isst, was der andere gern gegessen hätte. Und dann hat er es tatsächlich auch noch gemacht! Ich hätte gern ein vollständiges Stück Mohnstreusel gegessen. Das ging dann aber nicht mehr. Ich habe mir dann ein paar Brötchen belegt und niemandem eine Brötchenhälfte angeboten. Brötchen esse ich aus der Hand, Kuchen im belgisch-niederrheinischen Style mit Messer und Gabel.

Einzelhandel um 19 Uhr

Letztens bin ich kurz vor 19 Uhr in einer Regenpause einkaufen gegangen. Es waren nicht mehr sehr viele Leute unterwegs. Bei Aldi war es allerdings so, dass auch das Personal nicht mehr so reichlich vorhanden war, wie es tagsüber der Fall ist. Die wenigen Kunden stauten sich deshalb trotz Kundenflaute gewaltig an der einzigen geöffneten Kasse 1. In der Schlange hatte ich sehr viel Zeit, über das Leben aller Schlangesteherinnen angemessen nachzudenken.

Das Fazit ist: Wenn ich sehr laut rufen würde: „Liebe Kunden! Wir öffnen jetzt Kasse 6 für sie!“ ist zweierlei nicht ganz auszuschließen. Einerseits ist es möglich, dass sich die Schlange blitzschnell und erheblich verkürzt. Andererseits könnte es sein, dass die finstersten Gesellen dieses Landes heftig auf mich einschlagen und die Gesellinnen mit ihren eigenen Waffen mir das Leben zur Hölle machen. Als ich das Szenario fast zu Ende entwickelt hatte, musste ich meinen Einkauf bereits aufs Band legen. 

Ich zweifle nicht daran, dass einer der Leserinnen in so einer Situation doch etwas eher zu einem praktischen Ergebnis kommt und dass ich dann aus seinen Erfahrungen lernen kann. Jede Nachdenkung lässt sich ja stets neu performen.

Ich glaube, die Kassiererin hat etwas von meiner Denkarbeit geahnt. Sie hat mir einen guten Abend gewünscht. Der langweilige und langwierige Ablauf an der Kasse täuscht ein wenig.

Kugelei

In den vergangenen Tagen hatte ich ein unverhofftes Gespräch mit Menschen im Rentenalter. Das Gespräch war insgesamt nicht so auffällig, dass ich sagen würde: „Typisch Rentner!“ Allerdings gab es einen Beitrag, der mich so sehr aufhorchen ließ, dass ich ihn für die Nachwelt erhalten will:

K. hatte nicht so viel Zeit, weil er noch am gleichen Abend zum Kegeln musste. Er kegelt an Terminen, die für ihn und die Mitkegler seit Jahrzehnten unveränderlich sind. Die jährliche Kegeltour gehört dazu. Schon sehr lange kegeln sie eigentlich gar nicht mehr, gehen aber trotzdem – so sagt sie es alle innerhalb und außerhalb der Kegelgemeinschaft – zum Kegeln. Dort, wo sie nun jetzt auch schon seit längerer Zeit kegeln, gibt es auch überhaupt keine Kegelbahn mehr. Wie in jedem Kegelklub gibt es in diesem Klub bisweilen ernste und heftigste Streitereien über Gott und die Welt, die zu Zerwürfnissen führen, die das weitere Klubleben in Frage stellen. Beim nächsten Kegeln sind dann alle wieder vollzählig dabei. Das ist sicher! Das softwarebasierte Kegeln war wohl auch einmal eine als besonders gesund registrierte Episode, hat sich dort aber wohl nicht durchgesetzt, obwohl damit Manipulationen möglich waren, jedem zu ermöglichen, das Sportgerät ohne große Anstrengung fachgerechter zu bewegen als es seiner durchschnittlichen Kegelleistung entsprach.

Ich sage das jetzt hier alles auch deshalb, weil ich seit langer Zeit Skat spiele – jetzt auch schon länger nicht mehr.

Reerding oder Wir sind am kompostieren

Reerding soll eine neue Form der Bestattung sein. So geht es jedenfalls mit Werbeeffekt durch die Presse. Eigentlich geht es dabei um das kontrollierte Schnellkompostieren. Man kennt das aus dem Hinweis in der Bibel (1 Mose 18,27) entnehmen (Asche zu Asche, Staub zu Staub …).  Als man noch Ehrfurcht davor hatte, dass die Natur das eigentlich selbst macht, was jetzt in gepimpter Form in den Markt gedrückt werden soll, entnahm man derartige Hinweise meist aus der Bibel. Das Ergebnis des Reerdings ist jedenfalls naturnah und weitgehend umweltfreundlich, also voll im Zeitgeist. Dagegen ist die so beliebte Feuerbestattung zunächst einmal ein Fanal der ökologischen Verzweiflung, das 242 Kilogramm CO₂ pro Person in den Himmel oder sonst wo hin bläst.

Das extra geschöpfte Wording „Reerding“ schwappt ebenfalls im Zeitgeist umher. Es ist erdig deutsch und in der Verlaufsform (Gerundium) doch reines Englisch. Da lacht der englische Nativespeaker sich schlapp und der Deutschsprachlerin nimmt wohlwollend und bereichernd einen Hauch Internationalismus in sein endliches Leben auf.

Wenn dich der Tod wirklich interessiert, empfehle ich trotzdem: Bert Brecht: Es gibt viele Arten zu töten, aus: Me-ti. Buch der Wendungen …

 Corona im Griff

Wir erinnern uns an das Virus, das weltweit mit dem schnellen Tod Furore gemacht hat. Nach ein paar Jahren wurde es in die Reihe der üblichen Viren zurückgestuft, mit denen der Mensch gelernt hatte, irgendwie zurecht zu kommen. In der kollektiven Erinnerung hat die fundamentale Verletzlichkeit des Menschen als schwebende Drohung überdauert. Ich habe in der Zeit der Pandemie ohne Unterlass Essays produziert, die Details der Seuche fokussieren und hin und her wenden. Ich habe sie in meiner Sammlung „Coronagate – ein Virus geht viral“ verfügbar gemacht.

Ich möchte heute aber noch einen Schlusspunkt hinzufügen. In der Zeit der Pandemie gab es zunächst keine von den erforderlichen Masken. Ich habe zunächst nach einer Anleitung alte T-Shirts zurecht geschnitten. Dann gab es das eine oder andere Hobby-Schneiderlein, das seine Werke bundesweit vertrieb. Dann gab es die Affären um Krisengewinnler, die im internationalen Maskenhandel Millionen verdient haben. Vielfach gab es keine der besonders wirksamen FFP2 Masken zu kaufen, danach nur für viel Geld in der Apotheke. Schließlich gab es Masken sogar im Supermarkt. Erst als sie fast nicht mehr gebraucht wurden, waren sie erschwinglich. 

Heute – im Jahr 2024 – rächt sich die Einkaufspolitik der Supermärkte. Sie bieten heute noch in ihren schmuddeligen Ecken Masken zum Schnäppchenpreis an. Doch niemand muss mehr vorsorgen. Jeder Mensch hat an vielen Stellen  in der Wohnung noch reichlich Päckchen mit Masken liegen, direkt bei den Einmaltests, die aber wohl bald verfallen sein werden. Hier ein Foto von Heute: Kisten aus dem Supermarkt meiner Wahl voller Masken.

Aus der Mistkäferliteratur

Über Mistkäfer, die kulinarische Ausflüge machen, gibt es unzählige Comics und Witze. Meistens ist es so, dass der Witz aus einem Comic herausgelöst wird und selbstständig durch die Welt vagabundiert. Damit verliert er meist unbemerkt seinen Status als urheberrechtlich geschützte Zeichnung mit Text. Dem puren Witz fehlt die Schöpfungshöhe eines schützenswürdigen Textes und es kann gar sei, dass ein Künstler einen bereits bestehenden Witz ohnehin nur illustriert hat. 

Ich komme darauf, weil ich letzens den Comic der Mistkäferfamilie beim Mittagessen geguckt und gelesen habe und zur Erweiterung den Witz über den Mistkäfer in der Eisdiele hinzugefügt habe. Der Autor des Comics hatte sofort parat, welcher seiner Berufkollegen den von mir erzählten Witz zum Comic gemacht hat. Zum Glück gibt es noch genügend Sätze in der Welt, die ungeschützt sind, weil sie an der Schöpfungshöhe scheitern: „Guten Tag! Ich hätte gern zwei Kugeln Scheiße!“

Euer Spargel 

Ich bin kein Spagelfan. Spargel ist mir, wenn es um das Essen geht, gleichgültig. In der Szene der Spagelliebhaber bin ich ein krasser Außenseiter und sehe auch die  Ökologie und die Produktionsbedingungen des Spargels höchst kritisch. Ich gehe also achtlos am Spargelessen vorbei.

Aber es gibt Gelegenheiten, da esse ich ihn ebenfalls, weil es sich nicht sinnvoll vermeiden lässt. In den letzten Tagen gab es Spargelauflauf, mit Kartoffeln, Schinken und mit Käse überbacken. Ich esse sowas, wie gesagt, eben ohne Lustgefühle, also lediglich zur Ernährung, auch wenn ich verständnislose Blicke auf mich ziehe. Aber ich schätze grundsätzlich alle Lebensmittel.

Und als Geizhals bin ich stets an einer Resteverwertung interessiert. Ich habe also die reichlichen Reste des Spargelauflaufs in den Mixer gefüllt, noch ein paar Käsereste dazu gegeben, wie auch reichlich diverse Kräuter, die direkt hinter der Küche wachsen sowie einen Sahnerest aus dem Kühlschrank. Ganz fein gemixt war die Konsistenz ziemlich dick. Ich habe die Konsistenz mit Wasser eingestellt. Das Ergebnis war eine Spargelcremesuppe mit einer ausgefallenen Kräuter- und Käsenote. Gut erwärmt auf dem Teller habe ich großen Gefallen an der Suppe gefunden. 

Gerichte, die nicht in Rezepten standardisiert und erstarrt sind, können Erlebnisse nach sich ziehen – völlig ohne Geschmacksexplosion …

Höckes „für Deutschland“ oder das „Wunder von Bernd“

„Alles für Deutschland“ soll dieser verpeilte Herr Höcke gesagt haben. Das soll auch einmal ein Motto der SA gewesen sein, der paramilitärischen „Sturmabteilung“ der Nazipartei NSDAP. Nun ist dieses Motto derart inhaltsleer, dass es für alles und nichts zu gebrauchen ist. Wenn ein Nazi das sagt, wird es wahrscheinlich auch nationalsozialistisch aufgeladen. Dieses Motto hat also eine derart geringe Schöpfungshöhe, dass es dafür beim besten Willen keine Urheberschaft geben kann, die zudem auch noch in jedem Fall toxisch aufgeladenes Unheil anrichtet. 

Jetzt gibt es dazu wohl ein Strafverfahren.
Ich wusste bisher überhaupt nicht, dass das Motto nationalsozialistisch verankert ist. Es wurde wahrscheinlich vor und nach dem Leben mit der SA in vielen alltäglichen Zusammenhängen genutzt, die mit Sicherheit meist gar nicht im Zusammenhang mit dem Nationalsozialismus stehen. Es wird im Grunde mitten aus dem Sprachgebrauch heraus eine bestimmte Wortkombinationen für unbrauchbar erklärt. In der Folge müsste sich ja jeder abbremsen, der einen schnellen Gesprächsbeitrag leisten will und in der Geschichte nachforschen, wer denn dieses oder jenes schon einmal gesagt hat. War es ein Nazi schweigt er, war es kein Nazi, dann muss er das als Zitat kennzeichnen. Erst wenn das erarbeitet ist, wird er reden können, obwohl die Sprechsituation sich bis dahin so geändert hat, dass sein Beitrag nicht mehr passt.

Ich halte den Höcke ja für einen sehr üblen Zeitgenossen und zweifle auch kaum daran, dass er da eine Nazianleihe ins Feld führt.

Die Worte allein ähnelt ja sehr auch stark der ersten Strophe der deutschen Nationalhymne, die zwar nicht gesungen wird, die aber vom Deutungshorizont ebenso nichts sagend und vielfältig aufladbar ist – eine Hülse eben.

Ich würde die Kirche im Dorf lassen und den Sprachgebrauch in diesem Fall nicht beklagen. Es wirkt gerade so, als ob einem da nichts besseres einfallen mag bei einem Typen, der eben ideologisch verpeilt ist und deshalb auch kritisiert werden muss. An Ansatzpunkte mangelt es da doch wohl nicht.

Fragwürdige Regelwerke

In meiner Kindheit spielte meine Oma gern in geselliger Runde Rommé. Sie hatte dabei stets eine Sonderrolle, die ihr bereits in meiner damaligen Einschätzung nicht Zustand. Sie legte ihre Spielkarten in ein quer aufgeschlagenes großes Buch. Kein anderer machte das, zumal die Karten von der Seite wohl doch einsehbar waren. Die Begründung für das Konstrukt meiner Oma war, dass ihre Hände zu klein seien, um alle Karten in der Hand zu halten, wie andere es tun. Meine Oma war 1,55 cm groß und hatte bereits beim Schuhkauf groß Probleme, weil sie verständlicherweise keine Kinderschuhe haben wollte. Mit den Händen war sie aber tatsächlich nicht behindert. Man gruppiert ja alle Spielkarten um einen einzigen Punkt herum wie ein Fächer. Die kleinste Hand kann das bewältigen. Die von ihr selbst formulierte Sonderrolle – klein aber oho – gab meiner Oma zeitlebens viele Möglichkeiten, sich die Welt zurecht zu legen, wie ihr es in den Kram passte. Eine Aufklärung zum Halten von Spielkarten hätte sie zeitlebens nie geduldet.

Das Auto ist sauber!

Wenn ich mein Auto wasche, dann orientiere ich mich am Verschmutzungsgrad des Autos, der kurzfristig zu erwartenden Wetterlage und an einem Zeitpunkt, an dem andere Autowaschende mutmaßlich eher selten eine Waschanlage aufsuchen.

Ist dort das Andrang zu groß, dann muss man warten, es sinkt die Waschleistung und es gibt Engpässe bei den Staubsaugern, die nach der eigentlichen Wäsche zum Einsatz kommen.

Der Vormittag am letzten Donnerstag erschien mir nach aller Erfahrung ideal. Die Freitage und Samstage scheiden für mich per se aus. 

Ich war total erstaunt, als am ausgewählten Donnerstagmorgen eine zweispurige Autoschlange bis zur Straße reichte und sämtliche Saugplätze belegt waren. Mit erheblicher Zeitverzögerung war dann mein Auto mit Handarbeit doch ziemlich sauber und die Schlange der Wartenden verstopfte mittlerweile die Straße. Ich war verwirrt! –

Erst in den Abendnachrichten gab es ein Interview mit einem Autowaschexperten, der begründete, weshalb der Saharastaub der letzten Tage hobbymäßig nicht zu bewältigen ist und nur den geliebten Lack verkratzt.

Jetzt interessiert mich an Wetterberichten fast nur noch der Saharastaub. Die Welt wächst zusammen und die verdreckten Autos nehmen zu. Wenn nicht tagtäglich Saharastaub dem Individualverkehr zu schaffen macht, sind es – beispielsweise in Deutschland – oft hohe zweistellige Zahlen an abgefrühstückten Pizzaschachteln. Mein Freund J. aus Studententagen fuhr damals in seinem R4 sogar eine dreistellige Zahl Pizzaschachteln nutzlos durch die Gegend. Kein Staubsauger der Welt käme damit zurecht. Einen Pizzaschachtelpfandautomaten an Waschstraßen vermisse ich schon lange.